Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge setzt der Vorsteuerabzug grundsätzlich die Vorlage der Originalrechnungen oder andere objektive Nachweise voraus, dass eine Leistung für das Unternehmen des Steuerpflichtigen erbracht worden ist und der Steuerpflichtige die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer auch bezahlt hat. Die Vorsteuer kann daher nicht allein auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens, in dem die Vorsteuer geschätzt wird, geltend gemacht werden.
Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass eine Leistung für das Unternehmen des Steuerpflichtigen erbracht worden ist und dass eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.
Sachverhalt: Dem EuGH lag ein Sachverhalt aus Rumänien zugrunde. Der Kläger war nach rumänischem Recht zunächst Kleinunternehmer. Er errichtete ab Sommer 2006 eine Apartmentanlage und wurde damit wegen Überschreitens der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer rückwirkend ab dem 1.1.2006 umsatzsteuerpflichtig. Das rumänische Finanzamt setzte nach Ablauf des Jahres 2006 Umsatzsteuer für 2006 gegen ihn fest. Der Kläger machte nun Vorsteuer für 2006 geltend, konnte aber keine Originalrechnungen mehr vorlegen. Der Fall kam zum EuGH, der entscheiden sollte, ob der Vorsteuerabzug die Vorlage der Originalrechnungen voraussetzt oder ob die Vorsteuer ggf. auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens geschätzt werden kann.
Entscheidung: Der EuGH verlangt im Grundsatz die Vorlage der Originalrechnung:
Zwar war der Kläger als ursprünglicher Kleinunternehmer zunächst nicht verpflichtet, die Eingangsrechnungen aufzuheben. Er wurde erst durch das Überschreiten der Kleinunternehmergrenze im Sommer 2006 nach rumänischem Recht rückwirkend umsatzsteuerpflichtig.
Der Vorsteuerabzug setzt dennoch grundsätzlich die Vorlage der Originalrechnungen voraus. Hat der Unternehmer diese nicht mehr, kann der Vorsteuerabzug durch objektive Nachweise erbracht werden.
Ein Sachverständigengutachten, in dem der Vorsteuerabzug geschätzt wird, ist für den Vorsteuerabzug allerdings nicht geeignet. Denn aus dem Gutachten ergibt sich nicht, dass der Kläger die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer auch tatsächlich bezahlt hat.
Hinweise: Zwar betrifft die Entscheidung einen Fall aus Rumänien. Da das Umsatzsteuerrecht in der EU aber auf einer einheitlichen europarechtlichen Grundlage beruht, hat die Entscheidung auch für deutsche Unternehmen Bedeutung.
Das Urteil ist – und das ist nicht untypisch für Entscheidungen des EuGH – nicht ganz eindeutig und enthält keine abschließende Entscheidung. Im Grundsatz sind Originalrechnungen erforderlich. In besonderen Einzelfällen kann aber auch ohne Originalrechnung die Vorsteuer geltend gemacht werden, wenn z.B. der Unternehmer über die Originalrechnungen nicht mehr verfügt, weil sie z.B. durch einen Brand zerstört worden sind. Der Unternehmer muss dann aber anhand objektiver Nachweise wie z.B. Zweitausfertigungen der Rechnungen die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs belegen und auch die Zahlung der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nachweisen. Letzteres (die Bezahlung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer) ist nach deutschem Recht für den Vorsteuerabzug zwar nicht erforderlich; allerdings erfolgt zuungunsten des Unternehmers eine Berichtigung der Vorsteuer, wenn er die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht bezahlt.
Quelle: EuGH, Urteil v. 21.11.2018 – C-664/16 “Lucretiu Hadrian Vădan”, NWB